Wieder und wieder liest man in Supportforen, dass das vormals stabil laufende System nach der Installation eines Programmes oder Update die Begründungen, dass man doch nur die neueste Version installieren wollte. Solche Aussagen zeigen jedem Verständigen sofort, dass es sich um einen Anfänger handelt.
Und leider ist diese Denkweise viel zu weit verbreitet, weshalb mit diesem Post klarstellen möchte, warum dieses Denken nicht hilfreich, sondern eher hinderlich ist.
Die Menschen kommen meist von Windows, einige wenige von Apple zu Linux. In Windows haben sie sich aus Linuxsicht zwei kapital schlechte Gewohnheiten zugelegt: Einmal ignorieren sie die Meldungen eines Programmes.
Das ist verständlich. In Windows erhält man NUR nichtssagende Meldungen. Selbst ein Profi kann damit nichts anfangen. Dazu bräuchte man den Quelltext, den Microsoft erst Jahrzehnte nach Supportende einer Version herausgibt. Wenn überhaupt.
In Linux gilt das Motto "No news, good news"
Wenn ein Programm nicht mault, hat es seine Aufgabe korrekt und vollständig erledigt.
Wenn es aber mault, dann sagt es ganz präzise, welcher Fehler wo aufgetreten ist, und gibt oft sogar noch Tips, was man dagegen unternehmen könnte.
Aus der schlechten Windowsgewohnheit, die Meldungen einfach wegzuklicken, wird so ein Post hier im Forum, den man sich vielleicht hätte sparen können, wenn man nur die Meldung(en) aufmerksam gelesen hätte.
Also lest die Meldungen aufmerksam, und wenn ihr sie dennoch nicht versteht -was kein Beinbruch ist- dann postet sie hier komplett. Viele hier haben sie zu lesen gelernt. Sie helfen uns bei der Analyse des Problems und verhelfen euch viel schneller zur Lösung.
Das war die eine schlechte Gewohnheit.
Aber eigentlich will ich hier viel mehr über die andere schreiben.
Das "Ich-will-und-brauche-unbedingt-die-allerneueste-Version" Problem.
Und das ist ein Problem.
Das existiert zwar überall, nicht nur in Linux.
Aber in Linux zeitigt es die übelsten Folgen.
Um es zu verständlich klarzulegen, muss ich ein wenig ausholen.
Apple lasse ich jetzt mal außen vor, weil das ein extra Kapitel ist.
Dort gibt es richtig gute Profiuser, die so manchem Linuxprofi auf einem Linux etwas vormachen könnten, und Leute die nur Apple haben, weil es für sie chic, en vogue und teuer ist. Steve Jobs himself überschrieb eine der allerersten Apple Betriebssysteme mit (aus dem Gedächtnis frei zitiert:) "Wir wollen die beste kostenlose open source Software bieten, und sie soll für jeden User ohne Computerkenntnisse sofort und einfach bedienbar sein." ; Soviel zum Thema Apple. Weiß kaum jemand mehr, is abba wirklich so.
Unterm Strich ist ein Apple auch nur ein Unix SystemV Derivat.
Bei Windows ist das anders. Dort gibt es auch sehr gute Leute. Nicht nur die zahllosen Leute in allen möglichen Firmen, die die ganze EDV am Laufen halten, auch bei Microsoft selbst sitzen richtig gute Leute, auch Unixleute.
Und halt viele, sehr viele User, die damit eher nichts am Hut haben, außer dass sie damit arbeiten müssen, und zu Hause surfen und Mailen wollen. Möglichst einfach, ohne Heckmeck und vor allem ohne sich in die EDV- Materie wirklich einarbeiten zu müssen.
Windows kostet.
Es ist kommerziell.
Linux nicht. Die ganze GNU/Linux Welt ist nicht nur wegen des Geldes komplett anders.
Ein Linuxprogramm entsteht, weil irgend jemand eine Lösung suchte und mit den bestehenden nicht zufrieden war. So schrieb er halt selbst eine. Heute mag sie Standard in jeder Distri sein, und ein kleines Team kümmert sich um die Pflege und Weiterentwicklung.
Während nun bei Windows einzelne Firmen Programme verkaufen, die natürlich auch von Hein-Doof installierbar sein müssen, kümmert sich in GNU/Linux erst mal niemand um solche "Nebensächlichkeiten".
GNU/Linux will nicht gefallen, es will stabil funktionieren.
Das tut es auch.
Nur in einer gänzlich anderen Weise, als man es von Windows gewöhnt ist.
Denn aus all dem oben gesagten, ergibt sich, dass ein GNU/Linux auch einem ganz anderen Entwicklungsmodell folgt.
Während bei Windows eine Firma eine neue Version herausbringt, wenn es narrensicher installierbar ist,
kümmert das bei Linux erst mal niemanden. Die neue Version ist da, wenn sie da ist.
Kling komisch, ist aber so. Und hat enorme Konsequenzen.
Und noch ein Punkt, der für das Verständnis wichtig ist, will genannt sein:
Programm unter Windows sind monolithisch,
unter Linux kooperativ.
Während bei Windows eine Firma sich nur um ihr Programm kümmert, und lieber einen kleinen Webserver einbaut und mitliefert, als sich darauf zu verlassen, dass irgendein anderer Server vielleicht lauffähig installiert wäre, gilt unter Linux das Dogma:
Erledige eine (kleine) Aufgabe, die aber richtig gut.
Für den ganzen anderen Rest gibt es andere Teile, die ihrerseits ihre (kleine) Aufgabe richtig gut erledigen.
Ein GNU/Linux ist ein riesiger Setzkasten mit unglaublich vielen kleinen Programmen,
die beliebig kombinierbar sind und dadurch jede Aufgabe erledigen können.
Stabil und schnell.
Die Windowsfirma muss Geld verdienen. Also liefert sie ein leicht installierbares und dann (meist) lauffähiges Programm.
Dafür haben sie ihre selbstgezüchteten Tests, die irgendwann feststellen: jou, jetzt können wir es verkaufen.
Bei Linux gibt es das nicht.
Da gibt es die "Kerneltruppe", die sich nur um die Entwicklung des Vanillakernels (Vanilla == reiner nackter Kernel ohne jedwede Anpassung und Rücksichtnahme auf irgendwelche später von ihm gestarteten und kontrollierten Programme),
es gibt die verschiedenen DesktopEnvironment Entwicklungsgruppen und dann noch zahllos viele einzelne Programme.
Natürlich entwickelt auch GNU alle seine Systemprogramme weiter.
Und noch viele andere Gruppen, wie Übersetzer, Iconbastler und Designer tragen ihren Teil dazu bei.
Die Jungs von den Distributionen passen dann die "Vanillaprogramme" an ihre Distris an, modifizieren dabei dies und jenes, und stellen dann letztlich alles zum Installieren bereit.
Auch mit anderen Hard- und Softwareherstellern wird eng zusammengearbeitet.
Samba ohne Microsoft? Geht nicht.
Neue Hardware ohne Hersteller? Schwierig.
Intel Hardware macht in der Regel keine Probleme, weil Intel sehr vorbildlich Linux von Haus aus unterstützt, immer gleich alle Treiber mitliefert und benötigte Doku frei verfügbar bereitstellt.
Andere Hersteller bereiten einfach nur üblen Arbeitsaufwand.
Noch schwieriger wird es, all die Programme jetzt in einer Distri zusammenzubacken und zu pflegen, um dann alles leicht installierbar in Repos für die User vorzuhalten.
Jeder Bug, der gefunden wird von einem Anwender, will erfasst werden, muss dann geprüft werden, ob er in anderen Distris auch auftritt, oder eben nicht. Tritt er mehrfach auf, muss er an die eigentlichen Entwickler weitergeleitet werden, und die folgenden Patches wieder für die jeweilige Distri integriert werden. All das will geleistet sein.
Auch für jede Änderung und für jede neue Version.
Freiwillig und kostenlos.
Und dann wäre da noch der Punkt, dass die Entwicklung KONSTANT läuft.
Es ist nicht, so, wie es einem die Alltagserfahrung vorgaukelt:
Nicht am Tag X gibt es in angebissenen Äpfelläden etwas Neues.
Jeden Tag gibt es in Linux Neues.
Und selbst das greift zu kurz: Wann -bitte- ist morgen bei einer weltweiten Gemeinde, die virtuell konstant durcharbeitet?
Wenn die Sonne aufgeht? Für wen? Für die japanische Uni, die SoftEther macht, oder die Nürnberger, die openSUSE machen?
Ein Punkt für das große Bild fehlt immer noch:
Es gibt Firmen, die nichts anderes tun, als zu testen.
Bei Linux nicht. Zwar hat jede Distribution und jede Firma, die eine Distribution unterstützt ihr Qualitätsmanagement,
aber die freien kostenlosen Distris eben nur bedingt.
Zum einen ist die Linuxuserbasis sehr viel kleiner, als bei anderen Betriebssystemen und sie ist viel mehr zersplittert, zum anderen gibt es kaum User, die testen helfen.
Jedenfalls viel zu wenig, um neue Versionen wirklich wasserfest testen zu können.
Zwangsläufig sind also neue Versionen Bananensoftware. Reift beim Anwender.
Und damit gilt -bitter aber wahr- der alte Programmiererwitz:
"Was bringt die neue Version?"
"Neue Bugs und neue Fehlermeldungen."
Kommt also endlich von dem Trip runter, ihr bräuchtet die neueste Version.
Ihr wollt das nicht.
Revolutionäre neue Features gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Wer immer noch glaubt, er bräuchte die neueste Version, ist schlicht medienvollverblödet.
Der glaubt auch, dass weiß, weißer als weiß wäre.
Und neu, neuer als neu.
Es ist der Sache nicht angemessen.
Ihr wollt keine neue Versionen!
Ihr wollt, wie ein Gourmet, gut abgehangene Steaks.
Und wer das immer noch nicht glauben mag,
der wird mit instabilen System,
endlosen Post hier
und meinen bösartigen Bemerkungen zu leben lernen müssen.
Das wollt ihr nun wirklich nicht.
Echt!