Hanau verbietet Ortung von Kindern in Kitas
Manche Eltern kontrollieren ihre Kinder per Smartwatch oder Handy. In den Kitas in Hanau wird das bald verboten - die Stadt nennt die Überwachung "überflüssig und kontraproduktiv".

Ein Bericht aus der Hessenschau. Ich finde es einfach krass, Kindern quasi eine Art elektronische Fußfessel anzulegen um sie buchstäblich auf Schritt und Tritt überwachen zu können. Insbesondere sind Kindergartenkinder ja unter permanenter Aufsicht. D.h. der Tracker zeigt auf 15m genau in der Regel einfach das Kindergartengrundstück als Standort an...
Es gibt auch ein Interview auf Netzpolitik.org dazu:

Abgesehen von den Argumenten wie Privatsphäre und vertrauensbasierte Erziehung finde ich die zwei weiteren dort genannten Aspekte wichtig:
1) Hersteller und Softwarearchitektur hinter solchen Lösungen sind nicht immer klar. In welcher Cloud in welchem Land landen die Daten, d.h. mehr oder weniger personalisierte Standortdaten und Bewegungsprofile am Ende? Wird die Software gepflegt oder klaffen dort evtl. große Sicherheitslücken? Wird sichergestellt, dass die (Standort-/Bewegungs-)Daten nicht in falsche Hände gelangen und am Ende in irgendeiner Form sogar GEGEN das Kind eingesetzt werden?
2) Das zweite Argument von Netzpolitik.org: Viele Kinder, die die Funktion der Überwachungslösung ab einem gewissen Alter verstehen, mögen die permanente Überwachung tatsächlich und ehrlicherweise auch nicht, fühlen sich aber gegenüber den Eltern verpflichtet. Allerdings wollen auch heutige Kinder ab und zu Geheimnisse vor ihren Eltern haben... Wenn sie etwas aushecken, um ihre Grenzen zu testen, wird dann die Uhr/das Handy/der Tracker abgenommen und an den nächsten Baum oder Zaun gehängt. --> Und hier ist eben die große Befürchtung, dass ab diesem Zeitpunkt die Kinder ALLES, was sie dann erleben oder über alles was ihnen zustößt, möglichst lange gegenüber den Eltern verheimlichen werden. Wenn sie also "versprochen" haben, den Tracker zu tragen, ihn aber abgenommen und an einen Zaun gehängt haben -- und sie kurz danach drei Straßenecken weiter sexuell belästigt werden, könnten sie das verschweigen. Aus Angst und Scham, da sie dann den Regelverstoß zugeben müssten, die Uhr abgenommen zu haben.
Nicht nur aus diesem Grund stören Überwachungslösungen das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern.
Eine Steigerung zu Trackern und GPS-Uhren ist die IP-Kamera im Kinderzimmer. Aus dem weiteren Bekanntenkreis wurde mir sogar schon von jemandem berichtet, der ein IP-Kamera-System aus mehreren Kameras in seiner Wohnung installiert hat. D.h. er hat sie zu einer Art Big-Brother-Container gemacht. Begründung ist seine Verantwortung als Vater, und weil er seinen Kindern während der Arbeit so gern bei spielen zuschaut...
Sobald das Kind alleine durchschläft und sich halbwegs artikulieren kann, also dem Babyphone-Alter entwachsen ist, ist die Überwachungskamera im Kinderzimmer ein brutaler Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Insbesondere gilt natürlich der obige Punkt 1 bzgl. der Sicherheit der Kameras auch hier. Das Kind hat hier seinen Rückzugsraum und ab einem gewissen Alter auch mal das Recht auf einige ungestörte Momente. Zudem werden von der Überwachung auch Spielkameraden erfasst usw.
Auf gutefrage.de gibt es inzwischen einige bedenkliche Beiträge:
IP-Kamera mit Nachtsichtfunktion(!) im Zimmer einer 10-jährigen(!):

Ein Nachhilfelehrer, der sich über die Kamera im Zimmer einer 11-jährigen wundert:

Die Eltern-IP-Kamera im Zimmer des 13-jährigen Kumpels...

Ein Kind, dass sich darüber gruselt, dass die neue Kamera in seinem Zimmer, im Gegensatz zur alten, nicht mehr anzeigt wenn sie aktiv ist:


Ich frage mich echt, was das soll - 13-jährige in ihrem Jugendzimmer zu überwachen.
Und bei dem Fall mit der Nachtsichtfunktion könnte ... ist es IMHO nicht mehr komplett abwegig, evtl. auch noch ganz andere Motive der Eltern in Erwägung zu ziehen...
Ich frage mich, wie sich das alles insgesamt weiter entwickeln wird. Wie werden sich permanent von ihren Eltern getrackte und gefilmte Kinder als Erwachsene entwickeln?
A) Werden sie permanente Überwachung gewohnt sein und als natürlich empfinden? Oder sogar große Unsicherheit empfinden, wenn mal kein Big Brother in der Nähe ist? Wird das ein Geschäftsmodell in 50 Jahren, dass sie sich jemand buchen können, der sie anstelle der Eltern überwacht, damit sie sich sicher fühlen? Und ihre Wohnung freiwillig verwanzen?
B) Es kommt das große Erwachen, sie erkennen die Übergriffigkeit ihrer Eltern und halten es ihnen vor. Sie werden besonders sensibel hinsichtlich des Schutzes ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte und installieren Standardmäßig Tails OS und gehen mit Tor ins Internet...